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Stil ist nicht das Ende des Besens II

 

Bestimmt erinnert ihr euch daran, dass Romy und Lisa vor einigen Wochen einen Text über den haarsträubenden Umgang so mancher Leute mit unserer Sprache gepostet hatten (hier ist er nochmal: Stil ist nicht das Ende des Besens I). Ich weiß ja nicht, wie es euch ging, aber mein Magen zog sich beim Lesen auf die Größe eines Reiskorns zusammen. Für mich stand sofort fest: Der Keks ist noch nicht gegessen, dazu möchte ich auch noch was loswerden!

 

 

Meine Heimat ist nicht das Bergische Land, sondern das Ruhrgebiet – eine kleine Stadt in der Nähe von Duisburg, genauer gesagt. Und in meiner Freizeit frage auch ich: „Hömma, wie spät isset denn?“ oder freue mich „unnammich auf den nägsten Fluch inne Sonne“. Aber falsche Grammatik, die kommt mir nich’ inne Tüte! Leider teilen diese Haltung scheinbar immer weniger Menschen, denn tagtäglich höre oder lese ich Sätze, die mir echt die Schuhe ausziehen.

 

Besonders, wenn ich jemanden weniger gut kenne, halte ich mich mit Verbesserungen extrem zurück. Keiner mag ja bekanntlich Klugscheißer. Umso dankbarer bin ich allerdings für die Gelegenheit, mich jetzt mal so richtig austoben zu können! Hier sind sie also, meine persönlichen Lowlights der verbalen Kommunikation:

 

 

 

„Tja, da bist du wohl selbst in schuld.“

 

Das unnötige Hinzufügen von Buchstaben zu bestehenden Wörtern hatte Lisa ja schon am Beispiel von „einzigste/r/s“ thematisiert. Manch einer legt aber tatsächlich noch eine Schippe drauf und erweitert seine Sprache nicht nur um ein paar sinnlose Lettern, sondern setzt ihr gleich ganze Wörter zu. Eine Floskel, die mir immer öfter begegnet, ist „selbst in schuld“.

 

Mal davon abgesehen, dass mich die Aussage schon allein durch ihre inhaltliche Botschaft eher nicht zu Freudensprüngen animiert, sorgt das kleine Wörtchen „in“ garantiert sofort für Nullpunktstimmung meinerseits. Denn es gehört dort einfach nicht hin!

 

Ich habe zwei Theorien dazu, wie diese sprachliche Vollkatastrophe entstanden sein könnte:  

 

1. Viele verwechseln das Adjektiv „schuld“ mit dem Substantiv „Schuld“ (was auch häufig zur falschen Schreibweise „selbst Schuld“ führt). Es kann jedoch niemand die Schuld sein, wohl aber in jemandes Schuld stehen. Deshalb wird dann manchmal einfach unreflektiert ein „in“ vorangestellt. Was soll’s, ändert ja nur den Sinn des gesamten Satzes.

 

2. Leuten, die so reden, ist die Artikulation [ st ] à [ ʃ ] zu mühsam. Sie nutzen das Füllwort „in“, um einen weicheren Übergang zwischen den Worten „selbst“ und „schuld“ zu schaffen.

 

Ob nun die erste Annahme stimmt, oder die zweite, oder keine von beiden, ist ja letztlich auch egal. Fakt ist: Dat „in“ muss wech und „schuld“ muss klein! So nämmich!

 

 

 

„Morgen feiere ich mein Geburtstag.“

 

Nachdem der Genitiv in der Alltagssprache inzwischen fast komplett durch den Dativ ersetzt wurde („Wegen dem Wetter feiern wir drinnen.“), müssen wir uns wohl so langsam auch vom Akkusativ verabschieden. Speziell in den sozialen Netzwerken lese ich ständig Sachen wie „Ich habe kein Schimmer.“ und würde am liebsten jedes Mal darunter schreiben ‚Von Grammatik jedenfalls nicht‘.

 

Dass im Redefluss eines mündlichen Dialogs schon mal die eine oder andere Endung verloren geht, ist ja halb so wild. Aber muss man das Ganze dann auch noch, getreu dem Motto „Aus den Ohren, aus dem Sinn“, in die schriftliche Kommunikation übertragen?

 

Leider sind nicht nur Possessivpronomina betroffen. Auch schwache maskuline Substantive müssen zunehmend ohne Akkusativ-Endung auskommen („Schau dir mal den Bär an.“).

 

Zur Erinnerung: Nach dem Akkusativ fragt man mit „wen oder was?“.

 

Wen oder was feierst du morgen?              – Meinen Geburtstag.

 

Wen oder was soll ich mir anschauen?      – Den Bären.

 

 

 

„Desto mehr ich schlafe, desto müder werde ich.“

 

Was ist nur aus dem guten alten „je“ geworden? Irgendwie wird es mehr und mehr aus dem Kader der Konjunktionen ausgeschlossen. Ojemine.

 

Gemeinsam mit seinem Kumpel „desto“ (auch eine Konjunktion), weist „je“ eigentlich darauf hin, dass sich zwei Umstände oder Dinge in Abhängigkeit voneinander verändern. „Je“ bezieht sich dabei auf die Ursache und leitet den Nebensatz ein, während „desto“ das Resultat kennzeichnet und den Hauptsatz ankündigt.

 

Richtig heißt es also: „Je mehr ich schlafe, desto müder werde ich.“ Voll easy. Warum wird das so oft falsch gemacht?

 

Vielleicht liegt es daran, dass – vor allem in der geschriebenen Sprache – „je“ und „desto“ gelegentlich die Plätze tauschen („Ich werde desto müder, je mehr ich schlafe.“). Das liest sich zugegebenermaßen etwas holprig, ist jedoch grammatikalisch korrekt. Trotz umgekehrter Positionen ist die jeweilige Funktion gleichgeblieben: Der viele Schlaf ist noch immer die Ursache der erhöhten Müdigkeit, die wiederum das Resultat des vielen Schlafs ist.

 

Ursache à je

 

Resultat à desto

 

Wo ein „desto“ ist, muss in der Regel immer auch ein „je“ sein. „Gleich und gleich gesellt sich gern“ gilt in diesem Fall nicht.

 

 

 

„Ich finde nicht, damit ich komisch rede.“

 

Zum Schluss kommen wir zu meinem ultimativen Grammatik-Albtraum: „damit“ statt „dass“! Einmal habe ich in der Uni erzählt, dass ich Leute kenne, die anstelle von „dass“ konsequent „damit“ sagen. Und was war? Niemand wollte mir glauben. Aber ich schwöre: Es ist wahr! Beim ersten Hören brauchte ich verdammt lange, um zu checken, was mein Gegenüber mir gerade mitteilen möchte. Als es mir schließlich dämmerte, machte es nicht nur *klick* in meinem Kopf, sondern auch in meiner Brust: mein, schon immer germanistikverliebtes, Herz war gebrochen. Okay, ganz so dramatisch war es nicht. Aber ein leichtes Trauma ist schon zurückgeblieben.

 

Die Konjunktion „dass“ ist ein notwendiger Bestandteil vieler Satztypen und tritt meist mit Verben wie „glauben“, „sagen“, „wissen“, „hoffen“ usw. auf. Deshalb heißt es auch richtig: „Ich finde nicht, dass ich komisch rede.“ Erfragen lässt sich „dass“ ganz einfach mit „was?“.

 

Was findest du nicht?            Dass ich komisch rede.

 

Bei der Konjunktion „damit“ handelt es sich hingegen um ein (nicht zwingend notwendiges) Zusatz-Element, welches weiterführende Informationen über eine Absicht, einen Zweck oder ein Ziel liefert. Der Satz „Ab heute werde ich immer korrekt sprechen, damit du dich weniger aufregst.“ wäre ohne den Teil nach dem Komma ebenso vollständig, jedoch weniger informativ („Ab heute werde ich immer korrekt sprechen.“) Erfragen lässt sich „damit“ durch „warum?“ oder „wozu?“:

 

Ab heute werde ich immer korrekt sprechen.  Wozu?  Damit du dich weniger aufregst.

 

Ich habe wirklich keinen Schimmer, wie man das verwechseln kann.

 

Bin ich ein wenig pedantisch, was Grammatik betrifft? Vielleicht.
Ist mir klar, dass sich Sprache nun mal stetig verändert? Ja.

Tat es trotzdem verdammt gut, sich öffentlich darüber aufzuregen? Ja!

 

In diesem Sinne: Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Habt noch einen entspannten Sonntag! ;)