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„Ich wünsch’ mir was, was ich nicht kenn’“ – ‚Wünschbarkeit‘ als Herausforderung fürs Marketing

Habt ihr schon mal was von ‚Wünschbarkeit‘ gehört? Der Begriff stammt aus dem Produkt Design und meint, dass eine Innovation (also ein Produkt, das neu auf den Markt kommt, oder eine neuartige Weiterentwicklung) die Wünsche bzw. seiner (potenziellen) Nutzer erfüllt. Es bietet also zum Beispiel eine Lösung für ein Problem, mit dem sich viele Menschen tagtäglich herumärgern.

 

 

Ein Paradebeispiel für ein solches ein Produkt ist das iPhone. 2007 erschien es plötzlich auf der Bildfläche und wurde zum Vorreiter für die gesamte Smartphone-Branche. Auf einmal wollte jeder eins haben.

 

 

Aber warum eigentlich? Denkt mal zurück an euch selbst im Jahr 2006. Habt ihr damals verträumt gen Himmel geblickt und gedacht: „Wie gerne hätte ich ein Handy, das fast keine Tasten hat und das ich stattdessen bediene, indem ich mit meinen Fingern auf seinem riesengroßen Display herumtippe.“ Also ich jedenfalls nicht. Ich war mit meinem Sony Ericsson K800i eigentlich ziemlich zufrieden. Bis zu viermal drücken für einen einzigen Buchstaben? War nun mal so. Und die regelmäßigen Panikmomente, wenn ich mal versehentlich auf dem Browser-Knopf landete, gehörten halt auch irgendwie zu meinem Leben. Dass es auch anders sein könnte, kam mir, ehrlich gesagt, nicht mal ansatzweise in den Sinn.

 

Genau hier liegt der Knackpunkt in Sachen ‚Wünschbarkeit‘: Eine Innovation soll Probleme lösen. Aber meist ist den Leuten gar nicht bewusst, dass sie ein Problem haben. Zum Beispiel, weil sie sich mit Notlösungen wie eben das mehrfache Drücken einer Taste zur Erzeugung eines Buchstabens abgefunden haben. Im Produkt Design wird deshalb extrem viel Energie darauf verwendet, herauszufinden, wo denn überhaupt Probleme liegen könnten, bevor es dann darum geht, eine Lösung dafür zu entwickeln und diese in die Praxis umzusetzen.

 

Doch wie sieht es eigentlich beim Marketing aus? Wie lassen sich Menschen vom Kauf eines Produktes überzeugen, wenn sie gar nicht ahnen, dass sie es sich wünschen?

 

Wünsche entstehen nicht einfach so aus dem Nichts, sondern stets auf der Basis eines Bedürfnisses. Auch, wenn wir das vielleicht glauben, kaufen wir uns niemals(!) eine Sache rein um der Sache selbst willen, sondern immer(!), um damit ein tief in uns verankertes Bedürfnis zu befriedigen. Und das gilt nicht nur für eine bestimmte Marke oder so, sondern wirklich für Konsumgüter im Allgemeinen.

 

 

Zur Erinnerung hier nochmal die gute alte Maslowsche Bedürfnispyramide:

 

Wenn ich mir ein Bett anschaffe, dann mache ich das eigentlich nicht, um ein Bett zu haben, sondern weil mir ein Bett dabei hilft, mein Grundbedürfnis nach Schlaf zu befriedigen. Wir brauchen Schlaf, also kaufen wir uns ein Bett. Das ist – zumindest in unserer Kultur – klar wie Kloßbrühe, denn wir kennen es ja gar nicht anders. Aber die wünschbar-zu-machenden Produkte, um die es hier geht, sind ja in der Regel Innovationen, die wir nun eben (so) nicht kennen. Was hat diese „Bettgeschichte“ jetzt also mit ‚Wünschbarkeit‘ zu tun?

 

Nehmen wir nochmal das erste iPhone (iPhone 2G) unter die Lupe: Wie schon gesagt, unterschied es sich von den bis dato gängigen Handys unter anderem dadurch, dass es nahezu ohne Tasten auskam. Verantwortlich dafür war sein neuartiger Multi-Touchscreen, der zeitgleich bis zu fünf verschiedene sensorische Impulse verarbeiten konnte. Produktdesigntechnisch war das ein Riesendurchbruch … mit dem sich zwar der Titel „Erfindung des Jahres“ gewinnen lässt, nicht aber Kunden. Denn niemand wünscht sich einen Multi-Touchscreen, genauso wenig wie einen ARM1176-Hauptprozessor oder einen PowerVR MBX Lite-Grafikprozessor. Erstens wussten die meisten Leute bis 2007 überhaupt nicht, dass es sowas gibt, und zweitens wäre es ihnen erstmal völlig egal gewesen. Es interessiert uns nämlich herzlich wenig, was ein Produkt theoretisch kann. Entscheidend ist, was wir damit machen können, um unsere innersten Bedürfnisse zu stillen. Genauso, wie ich mir ein Bett kaufe, weil ich darin schlafen und so mein Schlaf-Bedürfnis besser erfüllen kann, als etwa auf dem Boden, kaufe ich mir ein Mobiltelefon mit berührungsempfindlichem Display, weil ich es leicht und schnell bedienen und so mein Bedürfnis nach sozialer Kommunikation besser erfüllen kann, als mit einem Tastenhandy.

 

Und darin, dass die Marketing-Menschen von Apple genau DAS verstanden haben, liegt einer der Hauptgründe für den wahnsinnigen Vertriebserfolg des iPhones 2G. Technische Fakten sucht man etwa in den TV-Werbespots vergeblich. Stattdessen geht es einzig und allein darum, was ich (mit meinem „ichPhone“ ;)) so alles anstellen kann – und das dann auch noch total easy und intuitiv. Hier ein Beispiel:

 

https://www.youtube.com/watch?v=JwzKAZuZtlk

 

Halten wir also abschließend nochmal fest:

Eine Werbung, die Menschen davon überzeugen soll, dass ein Produkt ‚wünschbar‘ ist, sollte niemals das Produkt selbst in den Fokus stellen. Es ist viel effektiver, den potenziellen Nutzern zu demonstrieren, wie sie es einsetzen können, um damit (besonders schnell, einfach, komfortabel, …) eines oder vielleicht sogar gleich mehrere ihrer evolutionär verankerten Bedürfnisse zu bedienen. Denn wo kein Bedürfnis, da auch kein Wunsch. Logisch, oder?

 

Jetzt wünsche ich euch erstmal einen schönen Sonntag, an dem ihr hoffentlich euer Bedürfnis nach Entspannung befriedigen könnt!

 

 

 

Quellen:

 

https://www.gabal-verlag.de/media/fs/2/9783869364865_Leseprobe.pdf

 

https://www.heise.de/tp/features/Kann-Werbung-wirklich-Beduerfnisse-erzeugen-die-es-vorher-gar-nicht-gab-4074398.html

 

https://www.informatik-aktuell.de/management-und-recht/projektmanagement/innovationstreiber-design-thinking.html

 

https://karrierebibel.de/beduerfnispyramide-maslow/

 

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bestes-quartal-aller-zeiten-fuenf-gruende-fuer-apples-maerchenhaften-erfolg-1.2324703

 

https://de.wikipedia.org/wiki/IPhone_(erste_Generation)

 

https://www.youtube.com/watch?v=JwzKAZuZtlk